Zeitzeugen-Gespräch und Gedenken in Dachau – Projekttage an Forchheimer Schule bewegen

Eine Gruppe steht vor einem Gebäude und einer Gedenktafel.
90 Schülerinnen und Schüler aus Forchheim besuchten die KZ-Gedenkstätte Dachau.© Servicebüro Jugendmigrationsdienste

Von Vorurteilen ist niemand frei. Wichtig ist, dass wir uns mit ihnen auseinandersetzen, eigene Denkmuster und Stereotype hinterfragen. Im Rahmen des Bundesprogramms Respekt Coaches erforschten die 9. und 10. Klassen der Ritter-von-Traitteur Mittelschule in Forchheim, welche Vorurteile sie aus ihrem Alltag kennen. Dabei wurden schwierige Aussagen wie „Alle Ausländer sind kriminell!“ kritisch in der Gruppe diskutiert. Ein Schüler protestierte – Deutsche seien genauso kriminell – und sorgte so zunächst für einzelne Lacher. „Das haben wir dann zusammen reflektiert und geschaut, wer eigentlich mit ‚die Ausländer‘ und ‚die Deutschen‘ gemeint sein könnte und was die Intention von Menschen sein könnte, die solch eine Einteilung in Gruppen vornehmen“, erzählt Svenja Debelius. Als Respekt-Coaches-Mitarbeiterin des Jugendmigrationsdienst (JMD) Oberfranken-West (SkF Bamberg e. V.) startete sie 2022 die Arbeit an der Forchheimer Mittelschule. Die Diskussion über eigene Vorurteile diente als Einstieg, um mit den Schülerinnen und Schülern über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu sprechen.

Von Ausgrenzung zum Holocaust

„Die Klasse hat dann festgestellt, dass bestimmte Aussagen nur vereinzelt stimmen und nicht auf alle zutreffen und eine Einteilung somit Ausgrenzung und Hass gegen eine bestimmte Menschengruppe hervorrufen kann.“ Während der Projekttage setzte die Respekt Coachin den Fokus auf die Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Bei der Bearbeitung des Themas erkannten die Jugendlichen, dass menschenfeindliche Aussagen radikale Auswirkungen haben können und zu Hetze und Verfolgung führen können, wie die Deportation und der systematische Völkermord an den 6,1 Millionen Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit in Deutschland zeigen.
Im regulären Lehrplan der Forchheimer Schule wird der Nationalsozialismus in der 8. Klassenstufe behandelt. Die Neunt- und Zehntklässler waren somit mit den Themen vertraut. Durch die Projekttage wurde ihnen nun zusätzlich ein anderer Zugang ermöglicht. „Es gibt sehr unterschiedliche Lerntypen“, erzählt Svenja Debelius. Manchen falle es schwer, Inhalte nur über Lehrbücher nachzuvollziehen. Die Respekt-Coaches-Gruppenangebote können den Blickwinkel erweitern und „einen emotionalen Bezug herstellen.“

Gespräch mit einem Zeitzeugen

So realisierte die Respekt Coachin in Zusammenarbeit mit „Zeugen der Zeitzeugen e. V.“ eine besondere Begegnung für die jungen Menschen. Sie hatten die Chance, den Holocaust-Überlebenden Ernst O. Krakenberger kennenzulernen. Bewegend erzählte der heute 82-Jährige von seinen Erfahrungen. Krakenbergers Eltern waren jüdischer Abstammung und wurden 1945 trotz ihrer Emigration in die Niederlande von den Nazis deportiert. Sie haben vier Konzentrationslager überlebt. Er selbst wurde als Zweijähriger für drei Jahre bei einer befreundeten Familie versteckt.

Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern sitzt in einem Raum und Herr Krakenberger steht an einer Tafel.
Die Begegnung mit dem Überlebenden Ernst O. Krakenberger hinterließ einen bleibenden Eindruck.© Servicebüro Jugendmigrationsdienste

Die Schülerinnen und Schüler hörten aufmerksam zu und konnten anschließend mit Krakenberger ins Gespräch kommen: Fragen der jungen Menschen wie „Wurden viele Ihrer Verwandten ermordet?“ oder „Haben Ihre Eltern mit Ihnen über die Erfahrungen im Konzentrationslager geredet?“ wurden von Ernst Krakenberger offen beantwortet. Seine Eltern hätten nie etwas über die KZ-Geschehnisse erzählt und sich immer auf die Zukunft konzentriert, so der 82-Jährige. Nicht nur für die Klassen war es ein eindrückliches Gespräch, auch für die teilnehmenden Lehrkräfte und die Respekt Coachin war es eine berührende Begegnung.

Fahrt zur Gedenkstätte Dachau

Mit drei Bussen und rund 90 Schülerinnen und Schülern ging es am letzten Projekttag von Forchheim zur KZ-Gedenkstätte nach Dachau. Dort angekommen erhielt jede Klasse eine Führung über das Außengelände und zu verschiedenen Ausstellungspunkten im Innenbereich. Der Gang zum Krematorium war für alle ein starkes Erlebnis. „Das Wetter an dem Tag machte das noch mal intensiver“, erzählt Svenja Debelius. In Schnee und Kälte liefen die Jugendlichen an den im Nebel verhangenen ehemaligen Baracken vorbei und wurden ganz still, als sie den elektrischen Stacheldrahtzaun betrachteten.

Als ein Schüler meinte, dass es zur damaligen Zeit vielleicht besser gewesen sei, auf der Seite der Nazis zu stehen, fragte die Referentin nach: Hätte er sich gerne auf die Seite der Mordenden gestellt? „Nein“, war sich der Schüler sicher. Beim Anblick des ehemaligen KZs könne er aber verstehen, dass viele Angst davor hatten, selbst dort hinzukommen und deswegen vielleicht auf der Seite der Nazis waren. Dieser Moment regte viele zum Nachdenken an. Die Referentin ging mit viel Geduld auf alle Fragen ein, stellte den Schülerinnen und Schülern zum Teil herausfordernde Gegenfragen, gab aber immer auch verständliche Antworten. „Die Jugendlichen trauten sich dadurch immer mehr, ihre Fragen und Gedanken laut auszusprechen“, so Svenja Debelius.

Ein Gebäude hinter einer Mauer in der Gedenkstätte in Dachau.
Konfrontation mit der Geschichte: Der Besuch in Dachau regte viele zum Nachdenken an.© Servicebüro Jugendmigrationsdienste

Mit der Besichtigung der Gedenkstätte wurde den jungen Menschen noch einmal bewusst, wie wichtig es ist, sich nicht nur an die Gräueltaten während der NS-Zeit zu erinnern und diese aufzuarbeiten, sondern auch der Opfer des Holocaust zu gedenken. Genauso bedarf es genug Raum für Begegnung, Konfrontation, Fragen und Gespräche, damit „Nie wieder!“ als Lehre aus dem Holocaust im alltäglichen Leben Nachhall findet.

Text: Servicebüro Jugendmigrationsdienste